Jagen ist in Mode, eine neue Generation von Jägern lässt alte Traditionen aufleben.
![Bild:APA/dpa/Carmen Jaspersen Die Jagd, eine Trendsportart]()
Im Visier. Die Jagd ist in Verruf geraten - als Revier für korrupte Machenschaften. Die Jagd ist aber auch in Mode: Immer mehr Jäger erlegen Hirsche und Rehe, Wildschweine und Murmeltiere. Jagdunternehmer machen gute Umsätze. Eine neue Generation von Jägern lässt sich das Jagdvergnügen nicht nehmen.
Korruptionssumpf, Männerbündelei, geheimes Netzwerk der Macht: Die Jagd ist wieder einmal in Verruf, steckt scheinbar in einer großen Krise. Jagdeinladungen gelten, seit der Korruptionsuntersuchungsausschuss tagt, als peinlich.
In Verruf gebracht wurde die noble Jägerei - und die dazugehörige Leidenschaft - nicht zuletzt durch die Geschäfte von Graf Mensdorff-Pouilly, auf dessen burgenländischem Gut Luising im Auftrag der Telekom große Gesellschaftsjagden stattfanden - mit zweifelhaftem weidmännischem Charakter.
Eine jahrhundertealte Debatte lebt neu auf: Ist die Jagd an sich schlecht? Sind die Jäger blutrünstige Bambimörder oder sanftmütige Heger der Natur? Regiert uns eine machtbesessene Jagdgesellschaft, oder ist das alles nur eine Racheaktion der bösen, linken Neidgesellschaft?
Zulauf an Jägern
Die Verteidiger der Grünröcke reiten in breiter Front aus, um ein in Schieflage geratenes Bild geradezubiegen. Faktum ist: Die Jagd polarisiert und lebt dennoch blendend. Der Zulauf zu Jagdkursen ist hoch wie nie zuvor, die Zahl der Jäger steigt konstant.
Derzeit gibt es in Österreich mehr als 120.000 offiziell registrierte Jagdscheinbesitzer, vor dreißig Jahren waren es weniger als 100.000. Geschossen wird aus allen Rohren. Jetzt gerade ist der Maibock dran - pro Jahr werden allein rund 98.000 Rehböcke erlegt. Des Weiteren werden im Lauf eines Jahres 7000 Wildschweine, 60.000 Füchse, 106.000 Feldhasen - und, der Traum aller Jäger - 14.745 Hirsche zur Strecke gebracht. Die Preise für Blattschüsse sind stolz und je nach Revier und Größe variabel.
Neue Jäger: Junge Menschen aus dem Mittelstand
Trotz Spott und öffentlicher Kritik ist die Jagd drauf und dran, zur Trendsportart zu werden. Immer mehr junge, mittelständische Geschäftsleute wollen zur feinen Jagdgesellschaft gehören. Neue Landlust, fesche Lederhose, Jagdgewehr und Gamsbart - ein Teil der jüngeren Generation wendet sich vom Golfsport ab und der noch exklusiveren Freizeitbeschäftigung zu.
Bei der Pirsch, beim Abschuss, beim Rehgulasch findet man seine Freude - und wichtige Freunde. Der Wiener "Jägerball“ ist ein Highlight im Society-Kalender. 6500 "trachtig-schick“ gekleidete Besucher tanzen in der Hofburg Polka.
Nicht alle Jäger tanzen, viele arbeiten auch hart. Rund 20.000 Profis verdienen sich ihr tägliches Brot als Jagdaufseher und als Berufsjäger. Sie sind von Forst- und Jagdbetrieben angestellt und ständig im Revier unterwegs.
Millioneninvestitionen
Die Gilde der Freizeitjäger ist im Vergleich dazu sehr inhomogen. Der kleine Landwirt schießt ebenso gern wie der Spitzenmanager. Geld spielt eine wachsende Rolle: Die Nachfrage nach Eigenjagden ist hoch, viel höher als das Angebot. Siegfried Wolf, der für den Oligarchen Oleg Deripaska arbeitet, investierte 5,5 Millionen Euro in 238 Hektar Wald, Wiesen und Wohngebäude im Schneeberggebiet. Verkäufer war, welch Zufall, Ex-Arbeitgeber Magna.
Auch andere Großunternehmen stoßen aus Kostengründen und Gründen der "Anfütterungs“-Problematik ihre eigenen, repräsentativen Jagdreviere ab. Für sie springen verstärkt Ausländer in die Bresche. Der hessische Adelige und Unternehmer Ernst W. von Baumbach kaufte um 70 Millionen Euro die Jagden der Bank-Austria-Tochter Alwa, darunter das 11.000 Hektar große Revier im steirischen Donnersbach.
Der Milliardär Rashid Sardarov erstand in Rohr am Gebirge um 25 Millionen Euro 500 Hektar Grund, umzäunte ihn und wirbt nun im Internet um finanzstarke Trophäenjäger aus aller Welt.
Guter Ton unter Adeligen
Glücklich können sich da all jene preisen, denen große Wälder und Jagdreviere sozusagen in die Wiege gelegt wurden. Die Liste der größten Forst- und Jagdbesitzer liest sich wie ein Auszug aus dem Adelsregister. Bei blaublütigen Familienangehörigen gehört es ohnedies seit jeher zum guten Ton, "in Wäldern und Auen haarige Sauen, in Wiesen und Büschen den Hirsch zu erwischen“ - wie der Barde Reinhard Mey in seinem Lied "Diplomatenjagd“ einst spitz formulierte.
Doch längst ist die Jagd nicht mehr alleiniges Privileg des Adels, auch der Geldadel beansprucht große Reviere für sich. Der Papierindustrielle und Ex-FPÖ-Politiker Thomas Prinzhorn ist bekennender Waidmann, Unternehmer Hanno Soravia auch. Industriellen-Präsident Veit Sorger geht ebenso gern auf die Jagd wie der Ex-Minister und Pharma-Industrielle Martin Bartenstein (ÖVP).
In der Verstaatlichten wird ebenfalls scharf geschossen: Ex-ÖIAG-Boss Peter Michaelis, Aufsichtsratsvorsitzender Peter Mitterbauer und ÖIAG-Chef Markus Beyrer sind Jäger. Letzterer ließ sich in seiner Zeit als Industrie-Generalsekretär von der Telekom zu Mensdorff’schen Jagden einladen, was ihm Häme und Rücktrittsaufforderungen bescherte.
Networking beim Schießen
Zweifelsfrei dient vielen die Jagd als Netzwerk. Nur: Auch in anderen Männerbünden wird "genetworkt“, dass es eine helle Freude ist - im Golfklub, bei den Rotariern, den Freimaurern, im Cartellverband. Dass auch im Raiffeisen-Verband gejagt wird, ist bekannt.
Erwin Hameseder, designierter Nachfolger Konrads, geht ebenso auf die Jagd wie Stefan Pernkopf, Josef Prölls ehemaliger Kabinettschef und jetziger niederösterreichischer Umweltlandesrat. ORF-Finanzer Richard Grasl und ORF-Niederösterreich-Direktor Norbert Gollinger sind ebenfalls Grünröcke. Zeitungserbe Christoph Dichand hat, so geht die Mär, den Jagdschein einst seinem Vater zum Trotz gemacht.
Frauen in der Minderheit
Natürlich ist die Jagd eine Männerdomäne. Der Jägerinnenanteil liegt bei schmalen acht Prozent. Zu den prominenten Jägerinnen gehören: Ex-ORF-Generalin Monika Lindner, Immobilien-Lady Bettina Breiteneder und Ex-Finanzministerin Maria Fekter, die nicht nur Steuersündern, sondern auch Rehwild nachstellt.
Auch Viktoria Kickinger ist Jägerin und eine passionierte noch dazu. Die Gründerin der "Initiative Aufsichtsräte Austria“ hat bei Waidhofen an der Ybbs eine 185 Hektar große Jagd gepachtet. Ganz allein geht sie ins Revier - und das fast jede Woche. "Die enge Verbindung mit der Natur holt einen auf den Boden der Tatsachen runter“, sagt sie. Das Vergnügen ist ihr rund 15.000 Euro pro Jahr wer.
Trophäen hängt sie keine an die Wand, das erlegte Wild verkauft sie an einen Wildbrethändler im nahen Ybbsitz. Und weil sie sich doch auch mit Gleichgesinnten austauschen will, hat sie ihren eigenen Jagdstammtisch gegründet. Bei der "IG Jagd“ treffen sich bekennende Jäger, die strikt für "waidgerechte Jagd“ eintreten.
Jagen mit GPS
Denn: Was selbstverständlich klingt, ist schon lange nicht mehr normal. Gejagt wird mit Nachtsichtgeräten und GPS-Peilsendern. Automatische Waffen sind ein Geheimtipp - allerdings verboten. Jäger sind listenreich und kampfeslustig: Gestritten wird um Reviergrenzen und Abschussquoten.
Touristiker ärgern sich über Jagdeigner, die ihre Reviere umzäunen und Wanderer aussperren. Zwischen Bauern und Förstern gibt es ebenfalls Zoff: Durch zu viel Wild entsteht im Mischwald schwerer Schaden. Schäl- und Verbissschäden gehen, wie der Wildschadensbericht des Lebensministeriums bestätigt, in die Millionen.
Leichte Beute für Adabeis
Doch viele Eigner wollen möglichst viel Wild, denn die Jagd wird soeben zügig kommerzialisiert. Jagdveranstalter verkaufen verstärkt Gruppen- wie Einzeljagden, Aufenthalt im Jagdschlösschen samt zünftigem "Kesseltrieb“ inklusive. Die Gatterjagd im eng umgrenzten Revier wurde zwar eingeschränkt, ganz verschwinden wird sie aber nie. Jagdunternehmer wollen schließlich der betuchten Klientel leichte Beute bieten.
Bereits eine halbe Milliarde Euro wird pro Jahr mit der Jagdleidenschaft umgesetzt, und rund um die Jagd haben sich profitable Zusatzgeschäfte etabliert. Gemeint sind da nicht nur Wildleberpastete und Hirschbraten, sondern auch die Fahrzeugindustrie, die eigens ausgestattete Jagdgeländeautos anbietet. Tierpräparatoren partizipieren ebenso am Business wie Waffenproduzenten, Waffenhändler, Outdoor-Spezialisten - und das gute alte Lagerhaus.
Unbeliebtes Minderheitsvergnügen
Laut Gallup-Institut wird die Hobbyjagd von zwei Drittel der Bevölkerung abgelehnt. Dennoch wird das Minderheitsvergnügen wohl immer "Teil der Gesellschaft“ bleiben, wie Josef Pröll selbstsicher formuliert. Auch Gabriela Moser ist eine Verteidigerin der Jagd, wenn auch auf ihre Art.
Die grüne Korruptions-Jägerin hat eine, wie sie sagt, "von Jagderlebnissen durchtränkte Kindheit“, ihre Jagdausflüge an der Seite des Vaters waren "spannend, amüsant, gefährlich“. Vor einigen Jahren machte die Politikerin dann selbst "aus Neugier“ die Jagdprüfung. Sie hegt und pflegt ihre vier vom Vater geerbten Flinten - und hat dennoch bis dato keinen einzigen Abschuss getätigt.
Denn: Die ergangenen Jagdeinladungen wollte sie aus Gründen der politischen Unverträglichkeit nicht annehmen. In der fernen Pension, so orakelt sie, könnte es aber sehr wohl sein, dass auch sie auf die Pirsch geht, dann freilich aus ökologisch inspirierten Motiven: "Wenn ich einmal jagen gehen würde, dann deshalb, um den Wald vor Wildverbiss zu retten.“
Die Jägdliste
- 120.305 Jäger und Jägerinnen gibt es aktuell in Österreich.
- 475.000.000 Euro Umsatz wird mit der Jagd gemacht.
- 263.279 Stück Rehwild wurden im Jahr 2010 erlegt.
- 15.000 Euro kostet der Abschuss eines kapitalen Hirschs.
- 19.212 Jäger und Jagdaufseher arbeiten im Vollerwerb.
- 11.771 Jagdgebiete gibt es in Österreich.
- 33 Prozent des Walds ist durch Wildverbiss geschädigt.
- 700 Euro kosten Jagdkurs und Jagdprüfung.
Die Abschussliste
Die Preise für Abschüsse schwanken nach Revier, nach Alter und Gewicht des erlegten Wilds und nach Qualität der Trophäe extrem stark. Die An-gaben in der unten stehenden Liste sind grobe Richtpreise in Euro.
- Kapitaler Hirsch: max. 15.000
- Reifer Hirsch, über 10 Jahre: 7000 bis 10.000
- Kleiner Hirsch: 2500 bis 4000
- Steinbock: 4000 bis 9000
- Gams: 500 bis 2000
- Rehbock: bis zu 2000
- Weibliches Reh: 600 bis 800
- Rehkitz: 200 bis 400
- Wildschwein: 100 bis 1500
- Murmeltier: 100
- Fasan, Hase, div. Kleinwild: 10 bis 75
- Wolf (in Russland oder Kroatien): ab 1500
- Bär (in Bulgarien): 2000 bis 10.000
- Elefant (im südlichen Afrika): 20.000
Weite Wälder, große Jagden
Die größten Waldbesitzer sind auch die größten Besitzer von Eigenjagden. Größter privater Jagdherr ist damit Franz Mayr-Melnhof-Saurau. Die Verpachtung ist für viele der Unternehmen ein wichtiger Teil des Umsatzes. Neben dem Bund besitzen auch Länder und Kommunen große Wald- bzw. Jagdflächen.
- Bundesforste 855.000 ha
- MA 49 der Stadt Wien 41.617 ha
- Forstbetrieb Franz Mayr-Melnhof-Saurau, Steiermark 27.369 ha
- Esterházy Betriebe GmbH Eisenstadt, Burgenland 22.582 ha
- Fürstlich Schwarzenberg’sche Familienstiftung, Forstdirektion Murau/Steiermark 18.961 ha
- Forstbetrieb St. Martin, Steiermark Eigentümer: Bayrische Staatsforste AÖE 18.500 ha
- Steiermärkische Landesforste, Forstdirektion Admont 16.415 ha
- Benediktinerstift Admont 16.718 ha
- Habsburg-Lothringisches Gut Persenbeug 12.735 ha
- Forstverwaltung Wasserberg, Steiermark 11.700 ha Eigentümer: Zisterzienserstift Heiligenkreuz
- Forstverwaltung Langau, Niederösterreich Eigent.: The Langau Trust, The Gwendoline Hoquet 10.925 ha
- Waldwirtschaftsgemeinschaft Burgenland 9.500 ha
- Forstverwaltung Donnersbach, Eigentümer: Alwa Güter- und Vermögensverwaltungs GmbH 9.388 ha
- Bistum Gurk Forst- und Gutsdirektion St. Georgen/Längsee 8.508 ha
- Forstverwaltung Hollenburg, Niederösterreich Eigentümer: Alexander Kyrle, Johannes Kyrle 8.450 ha
- Herzoglich Sachsen-Coburg und Gotha’sche Forstverwaltung Greinburg, Oberösterreich 6.494 ha
http://www.trend.at/articles/1415/581/374115/die-jagd-trendsportart
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